Klassische Panoramen und Bilder aus der Cottbuser Stadtgeschichte

Cottbus am 16. März 1985: Ein Flugzeug fiel vom Himmel

Es war ein herrlich sonniger Frühlingstag und weil Sonnabend war konnte ich ein wenig länger ausschlafen. Ich wohnte noch in der Frankfurter Straße im 6. Stock eines Plattenbaus. Um 08:46 Uhr wurde ich unsanft mit einen lauten Knall aus meinen Träumen gerissen. Noch schlaftrunken riskierte ich einen Blick aus dem Fenster, weil ich den Knall nicht einordnen konnte. Ich erblickte ein schwarze Rauchwolke die irgendwo zwischen dem Internatsbau III der Fachhochschule und der Studenten-Mensa aufstieg. Von da ging alles automatisch. Gerade von der Armee gekommen hatte ich noch Übung im schnell-anziehen und griff meine, auch gerade von meinem Vater vererbte Kamera (Praktika L). In dieser steckte noch ein Orwo Negativ-Film NC-20 mit gerade mal 6 freien Bildern. ´Besser als nichts`dachte ich mir, machte das erste Bild aus dem Fenster und stürmte los, in Richtung des Geschens. Auf der Straße angekommen, waren noch gute 200m bis zum Zielort überbrücken. Mir fielen wärend des Sprints zwei Dinge auf: Zum Einen färbte sich der Qualm langsam von Schwarz auf weiß - ein untrügliches Zeichen, das die Löscharbeiten schon begonnen hatten. Das war schnell, sehr schnell. Zum Anderen waren neben wenigen roten überwiegend grüne Löschfahrzeuge vor Ort und plötzlich dämmerte es mir: das war die Flugplatzfeuerwehr des Militärs (der Flugplatz lag nur weige hundert Meter westlich der Unglücksstelle). Das alles konnte nur heißen: hier war etwas vom Himmel gefallen. Instinktiv wurde ich langsamer und schob die Kamera noch weiter unter die Jacke. Nur nicht auffallen, denn neben der Militär-Polizei waren sicher auch einige Stasi-Mitarbeiter aktiviert worden. Wenn ich denen in den Arm gelaufen wäre, würden sowohl meine Kamera als auch das Filmmaterial auf nimmer-wieder-sehen verschwinden. Also kurz die Situation aufklären. Alle Uniformierten waren gut zu sehen und die "Stasi-Zivilisten" waren auch schnell lokalisiert. Es fällt eben auf, wenn sich manche der Passanten nicht für das Geschehen interssierten, sondern eher entgegen gesetzt, zu den Passanten schauten. Trotz dessen gelangen mir vor Ort noch 3 Fotos in einer bescheidenden Qualität, denn ich konnte naturbedingt nur bei Gegenlicht fotografieren. Auch das verdeckte Fotografieren trug nicht unbedingt zur Qualität der Fotos bei. Offen einen ruhigen Blick durch den Sucher auf das Motiv zu richten war unmöglich.

16.03.1985 um 08:55 Uhr: Kurz nach dem Einschlag der MiG-21 in das Internat der Fachhochschule Cottbus

Noch vor Ort kursierten die wildesten Gerüchte unter den Schaulustigen. So war es unter anderem unklar, was für ein Luftfahrzeug vom Himmel gefallen war. Manche sprachen von einem Hubschrauber (die ja auf dem Flugplatz-Nord in Cottbus stationiert waren) manche vermeinten durch den Rauch ein Heckteil einer MiG-21 ausgemacht zu haben. Letztere sollten Recht behalten.

Rückblick: Nicht der einzige Vorfall eines Absturzes über bewohntes Gebiet der Stadt Cottbus

Für die Cottbuser war der Flugunfall von 1985 ein ungutes deja vue. 10 Jahre früher, am 14. Januar 1975 vollbrachte der unvergessene Pilot Major Peter Makowicka (damals 33 Jahre jung) eine selbstlose Tat, die sehr vielen Cottbusern das Leben rettete. Seine MiG-21PFM/SPS (Werksnummer 94 5115) mit der Kennung 849 hatte durch einen fahrlässigen Wartungsfehler am Boden plötzlich einen Triebwerksausfall beim Landeanflug auf den Cottbuser Militärflughafen. Da die MiG mit ihren Stummelflügeln nicht sonderlich zum Gleiten geeignet war, wurde das Flugzeug aufgegebn. Makowicka bekam den Befehl, sich zu katapultieren. Der verweigerte den Befehl, denn der damalige Kurs des antrieblosen Flugzeugs führte nur 150m über dicht besiedeltes Gebiet, über das Textilkombinat, wo hunderte Menschen arbeiteten und dessen Kindergarten. Statt die Maschine unkontrolliert abstürzen zu lassen, versuchte Makowicka mit seinen stark limitierten Möglichkeiten den 1600m entfernten Flugplatz Cottbus-Nord zu erreichen. Aber diese Option war sehr schnell nicht mehr realistisch. Die MiG fiel wie ein Stein. So blieb nur noch die letzte Möglichkeit: eine Bruchlandung auf dem Gelände des Nordfriedhofs. Fast hätte er es geschafft aber auf Höhe der Schmellwitzer Straße streifte sein Flugzeug einen Wohnblock, so das sich die Nase des Fliegers nach unten senkte und dieser sich 10:10 Uhr in das gegenüberliegende Haus (zweite und dritte Etage des Aufgangs Schmellwitzer Straße 2.) bohrte. Die noch mit 800 Liter gefüllten Tanks barsten und lösten ein Feuerinferno mit Temperaturen um die 1000°C aus, bei dem letztendlich der Pilot und weitere 5 Menschen starben sowie 16 Menschen zum Teil schwer verletzt wurden. Der unmittelbare materielle Schaden wurde damals mit 750.000 DDR-Markangegeben. Diese Tragödie ließ sich nicht - anders als sonst - geheim halten und schaffte es sogar in die Tagesschau des "Klassenfeindes". In Cottbus selbst gab es zum Teil heftige Reaktionen der Bevölkerung, die auch die Politik erreichten. So rumorte es unter den Arbeiter*innen des Textilkombinates, welches genau in der Einflugschneise lag. Auch der Kindergarten des TKC lag dort und Mütter wollten ihre Kinder dort nicht mehr untergebracht wissen. Am 03.07.1975 reagierte man in einer Sitzung des Nationalen Verteidigungsrates. Unter der Tagesordnung Punkt 6 des geheimen Protokolls las man: Gewährleistung der Sicherheit für das Stadtgebiet Cottbus durch den Bau eines neuen Flugplatzes am Standort Holzdorf. Die endgültige Verlegung des 1. Jagdgeschwaders aus Cottbus erfolgte 1982. Seitdem war bis 1990 das Kampfhubschrauber-Geschwader 3 in Cottbus beheimatet, von dem man sich eine weniger akute Gefährdung versprach.

Über 300 Feuerwehrmänner, Mediziner, NVA-Soldaten und Polizisten waren in diesem Einsatz. Die Umgebung wurde hermetisch abgeriegelt. Als die Unglücksstelle zwei Tage später wieder freigegeben wird, ist von der Katastrophe (fast) nichts mehr zu sehen. Nur die mit Waschbeton verfüllte Fassade hob sich als dunkler Fleck dis Mitte der2010er Jahre ab und zeigte die Stelle an, aus der das Heck der MiG ragte.

Die beiden Bilder oben stammen vom Untersuchungsberich der Staatssichheit und zeigen die Vor- und Rückfront des Hauses Schmellwitzer Straße 2 nachdem das Feuer weitgehend gelöscht war.

Die oben abgebildeten Fotos entstammen aus dem Untersuchungsbericht der Staatssicherheit der DDR zum Flugzeugunglück 1975 und zeigen links die Vorderseite und rechts die Rückseite des Hause Schmellwitzer Straße 2. Sie wurden kurz vor der Mittagszeit gemacht, als das Feuer weitgehend bekämpft war und die grausigen Szenen des Überlebenskampfes der Bewohner nicht mehr präsent waren.

Wichtig: Wir müssen über den vergessenen Helden von Cottbus reden...

Die Schlagzeile der am Morgen des 16.01.1975 ausgelieferten Zeitungen hätte auch wie folgt lauten können: "Flugzeug stürzt auf das Textilkmbinat Cottbus und dessen Kindergarten / 85 Tote, davon 34 Kinder, 201 Verletzte". Das dieser Horror nicht eintraf, hatten die Cottbuser dem 33jährigen Piloten Major Peter Makowicka zu verdanken. Nach dem Befehl der Flugleitung sich zu katapultieren, hätte er sein Leben behalten können - ohne Konsequenzen, wenn man mal von den Eindrücken eines solchen Unfalls absieht. Stattdessen realisierte er, das er sich in einer der sensibelsten Einflugschneisen befand, die es in der DDR für Militär-Flugzeuge gab. Auf Kurs lagen nur 150m unter ihm das größte und modernste Textilkombinat der Republik mit hunderten Arbeitskräften im Vollschichtbetrieb, gleich daneben der Kindergarten des Werkes. Es folgt eine dichte Besiedlung und erst 700m vor dem Flugplatz dünnte sich die Besiedlung aus. Makowicka wusste das. Gut ausgebildet war ihm auch klar, das eine MiG-21 ohne Triebwerk nicht mehr segelt. Er saß praktisch in einem 9 Tonnen schwern Stück Metall, welches nur eine Haupt-Richtung kannte: zügig nach unten. Eine Notlandung war da nicht mehr möglich. Es blieben nur die Optionen Bruchlandung oder Crash. Makowicka, wusste um die physikalischen Umgebungsvariablen der letzteren Optionen und er realisierte sicher auch, das diese seinen Tod bedeuteten konnten. Wir wissen heute alle nicht, wie seine Entscheidungsprozesse abliefen. Fakt ist: er verweigerte den Befehl zum Katapultieren und blieb in der Maschine. Offenbar wollte er jede Möglichkeit nutzen, die MiG mit möglichst wenig Schaden zu Boden zu bringen. Das seine letzte Option - einen Crash auf den Nordfriedhof - nicht aufgegangen war, ist tragisch, aber immer noch beser als ein Sturz auf das Textilkombinat oder dessen Kindergarten.
Dazu ein Bericht des Zeitzeugen Christian Schubert, zeitweise Mitglied im Flugplatzmuseum Cottbus: "...hierzu lernte ich viele Jahre später im Flugplatzmuseum Cottbus Herrn Siegfried Daligk kennen, einen derer, die vor diesem Flug die Maschine betreuten. Er wurde wohl nach seiner eigenen Aussage bis zu Klärung der Absturzursache vom Dienst "suspendiert" und durfte - nachdem ihm keine Fehler nachgewiesen wurden - seinen Dienst als Ketten-Techniker weiterführen. Des Weiteren erzählte er mir auch, daß nachdem bekannt wurde, das die 849 Triebwerkprobleme hatte bzw. das Triebwerk ausgefallen sei, sich einige Techniker am IKP oder SKP (?) versammelten und dem Funkverkehr lauschten. Die letzten Worte des Piloten, Major Peter Makowicka, sollen "Ich muss die Kinder retten" gewesen sein, nachdem er den Befehl zum Katapultieren erhalten hatte. Daraufhin sei der Funkkontakt zur 849 abgebrochen, angeblich soll der Pilot den Funk abgestellt haben." Soweit Schuberts Bericht, nachzulesen auf http://home.snafu.de/veith/episoden1.htm#Christians .
Dennoch und das ist peinlich, sucht man heute in Cottbus vergeblich eine Straße mit Peter Makowicka`s Namen oder einen Eintrag seiner Witwe in das Goldene Ehrenbuch der Stadt. Ich kann mir das bis heute nicht erklären.
OK, anfangs verhinderte das Vertuschungsgehabe der DDR-Oberen eine Ehrung, später, nach Wende trugen zwar Bundeskasernen Nazi-Namen doch als NVA-Offizier wurde man (nicht nachvollziehbar) eher geächtet.
Doch in der heutigen Zeit der unterdurchschnittlichen Selbstdarsteller und auswechselbaren Promi-Sternchen sollte es überfällig sein, unserer Jugend wieder richtige und wahrhaft menschliche Helden zu präsentieren. Ich verstehe bis heute nicht, warum das in Major Peter Makowicka`s Fall in Cottbus nicht geschieht. Da opfert jemand sein Leben, damit dutzende, vielleicht hunderte Menschen weiterleben können und.... wird nicht bemerkt. Seine Tat war zutiefst menschlich und hat nichts mit Politik oder bestehenden Gesellschaftssystemen zu tun. Warum also ignorieren wir eines der guten Aushängeschilder von Cottbus?
Makowicka ist mit militärischen Ehren auf dem Cottbuser Nordfriedhof in einem Ehrengrab beigesetz worden. Die DDR-Militärführung verlieh dem mutigen Piloten zwei Tage nach der Tat, posthum den Kampforden "Für Verdienste um Volk und Vaterland" in Gold. Ein vergoldeter Hartmetall-Orden, der zu nichts verpflichtet und schon bald vergessen war. Anders seine Flieger-Kollegen, von denen Einige noch im Flughafenmuseum Cottbus tätig sind. Dort weiß man man wer Peter Makowicka ist und was er geleistet hat. Nur: irgendwann sterben auch diese ehemaligen Piloten natur-bedingt weg...

Major Peter Makowicka

Passanten an der Mensa der Fachhochschule beobachteten anfangs noch das Geschehen, bevor der Platz abgerigelt wurde.

Was war am 16. März 1985 passiert / Die Chonologie des Unglücksfluges

"Eigentlich hatte ich schon Urlaub, musste aber für eine Blitzstartübung mit Hilfsraketen noch mal fliegen. So etwas kam höchstens einmal im Jahr vor, und ich war dafür zum ersten Mal eingeplant worden" erkläte NVA-Oberleutnant Uwe Behrndt (damals 25 Jahre jung) im März 2015 in einem Interview der Berliner Zeitung. Für Behrendt war es die 333. Flugstunde und sein 96. Flug mit einer MiG-21M. Er stieg so schnell es ging in seine Maschine mit der Kennnummer 590 und arbeitete mit Hilfe seines Bodenpersonals routiniert das Alarmstart-Prozedere ab. 08:43 Uhr - Start! Uwe Behrndt: " Am Tag zuvor wurde mit uns Piloten jedes mögliche Szenario beim Start mit Hilfsraketen durchgespielt. Man kriegt dadurch eine zusätzliche Belastung auf den Körper von rund zwei g. Auch die Startstrecke von normalerweise etwa zwei Kilometer reduziert sich auf wenige Hundert Meter Du machst die Bremsen los und schaltest den Nachbrenner ein. Dadurch bekommt die Maschine sofort 50 Prozent mehr Triebwerksleistung. Das ist wie ein Tritt in den Arsch. Sekunden später zündete ich die Starthilfsraketen. Schon beim Anrollen habe ich die rote SORZ-Lampe (diente der Information des Piloten über Ausfälle von Systemen) blinken gesehen. Da wusste ich sofort, dass irgend etwas nicht stimmte" Der Untersuchungsbericht wird später die technische Seite des Fluges anhand des Flugschrebers (SARPP-12G) in einer Weg-Zeit Darstellug beschreiben können. Verkürzt wiedergegeben liest sich das so:
Nach acht Sekunden und einem Rollweg von 518 Metern hob die MiG 21 M mit 380 km/h und einem Steigen von 161 m/s ab. Nach zwölf Sekunden und bei einer Geschwindigkeit von 620 km/h lag das maximale Steigen von 172 m/s an. 20 Sekunden nach dem Abheben kam es zum Ausfall des Hydrauliksystems. Damit sei die Schubdüsenverstellung nicht mehr möglich gewesen, so dass die Maschine mit offener Schubdüse, keinem Nachbrenner und somit wenig Leistung flog. Dazu war das Fahrwerk nur zu zwei Drittel eingefahren und durch die Schwerkraft sogar wieder herausgefallen. Dies wirkte sich durch den erhöhten Luftwiderstand weiter leistungsmindert aus. Der Pilot sollte nach dem Start eine südliche Platzrunde in Drewitz fliegen und über dem Flugplatz die leeren Starthilfsraketen abwerfen. Dazu kam es nicht. Behrndt hatte alle Hände voll zu tun, die Maschine irgendwie in der Luft zu halten. Er wird später berichten, das er in den rund 2 Minuten des "Fluges" mehrere hundert Aktionen im Cockpit getätigt hatte.
Pilot Uwe Behrendt:" In diesem Moment war mir klar gewesen, es kommt zum Absturz. Das Flugzeug flog zu diesem Zeitpunkt Richtung Westen. Ich muss wohl am Kraftwerk Jänschwalde vorbeigekommen sein, konnte es aber nicht sehen, nur Buschland. Ich habe noch kurz darüber nachgedacht, ob es ihm mehr Höhe bringen könnte, wenn er die leeren Starthilfsraketen abwerfe, aber dann darauf verzichtet, um niemanden am Boden zu verletzen." Um 8:45:42 Uhr fragt der Pilot den Flugleiter um Erlaubnis zum Katapultieren. Die MiG war zu diesem Zeitpunkt etwa 400 Meter hoch und rund 400 km/h schnell. " Um 8:45:42 Uhr (? unsichere Zeitangabe, denn es kann unmöglich ein Anfrage und die Antwort zum Katapultieren innerhalb einer Sekunde erfolgen) gab der Flugleiter den Befehl zum Katapultieren" erinnert sich der Oberst a. D. Frank Pampel (damals Kommandeur des JG 7), der auch mit einem Vorwurf im Internet aufräumt: "Es war richtig und entsprach der Vorschrift, den Schubhebel vor dem Katapultieren auf volle Leistung zu lassen. Andernfalls hätte das Flugzeug aufgrund der sich verringernden Geschwindigkeit eine unkontrollierbare Lage einnehmen können." Der Vollständigkeit halber sollten auch die gegensätzlichen Stimmen zu Wort kommen, die da besagten, das mit weniger Schub die Maschine schneller gefallen wäre und damit Cottbus verfehlt hätte. Wieder gegensätzlich: eine stabilere Fluglage erleichtert ein sicheres Aussteigen aus der Maschine und der vorgeschoben Schubhebel wäre richtig gewesen.
Wenige Minuten nach dem Katapultieren Frank Pampels zutiefst betroffene Feststellung: "Dieser Tag war der schwärzeste in meiner ganzen Armeelaufbahn. Als ich hörte, wo die MiG runtergekommen ist, sind mir die Knie weich geworden." Die eiskalten, abgezockten Jäger in ihren schnellen Flugzeugen, auf Aggressivität getrimmt, sind eben doch Menschen - das ist tröstlich zu wissen.
Doch zurück zum Geschehen. Uwe Behrndt hing in den Seilen seines Falschirms und zählte wie er es gelernt hat, die Anzah der Seile, um sicher zu stellen, das sein Fallschirm ordentlich aufgegangen war. Sein Körper, vollgepumt mit Adrenalin, spürte noch nicht die enormen Belastungen, die mit einem Katapult-Ausstieg aus dem Flugzeug verbunden sind. Die Schleudersitze der spätsechziger Jahre waren nicht vergleichbar mit den modernen computergesteuerten Sitzen der Gegenwart und so war ein sicherer Ausstig nicht immer die Regel. Behrndt meisterte die Situation und landete wohlbehalten auf dem Boden. " Da kam dann ein Jäger aus dem Buschland auf mich zu und fragte mich, ob ich aus Drewitz sei. Als ich bejahte, meinte er: Da haben Sie aber Schwein gehabt. Ich fragte verdutzt zurück, warum? Und er: Wir sind mitten in einer Treibjagd." Ein weiterer Jäger sei dann zu ihm gekommen und habe ihm mitgeteilt, dass es der andere Pilot nicht geschafft habe. Er sei ins Dach einer Garage eingeschlagen. " Das war jedoch nur mein Schleudersitz (etwa 125 kg), der dort, wie ich später hörte, einen aufgebockten 311er Wartburg demoliert hat."
Jener Jäger habe sich als Mitarbeiter der Staatssicherheit vorgestellt, nach geheimen Verschlusssachen gefragt und ihn dann zum Divisionskommandeur auf dem Cottbuser Flugplatz gefahren. Über Lautsprecher habe ich dort die ganzen Alarmierungen mitgehört, als sich Generalmajor Alois Zieris zu mir umdrehte und fragte, wer ich sei. Da habe ich nur auf den Lautsprecher gezeigt und gesagt: der da," sagt Behrndt.
Das führerlose Flugzeug "flog" fast parallel zur Sielower Straße immer weiter Richtung westliches Stadtzenrum, bis es in der nordöslichen Ecke des Studentenwohnheims III auf dem Gelände der damaligen Fachhochschule einschlug. Das Wohnheim war zu diesem Zeitpunkt nicht voll belegt, so das man mit insgesamt 3 Verletzten eine überberaus glückliche Opferbilanz aufweisen konnte. Nur 80m westlich der Absturzstelle befanden sich zwei vollbesetzte Schulenen (20./21. Polytechnische Oberschule die damals noch Samstag-Unterrricht hatten). Undenkbar wenn der Flieger dort eingeschlagen hätte... Diesbezüglich gab es in Auswertung des Vorfalls riesigen Ärger. Kurz nach dem Flieger-Aufprall wurde zwar der Unterricht beendet - aber anschließend die Kinder weitgehend unbegleitet nach Hause geschickt. Die Kinder jedoch liefen ob ihrer Neugier zur Unfallstelle und brachten sich und die Rettungskräfte in Gefahr.
Pilot Behrndt war geschockt, als ihm der Arzt im Cottbuser Lazarett nach der Röntgenuntersuchung bescheinigte, dass seine Wirbelsäule gebrochen sei. "Das war zum Glück nicht der Fall, ich musste aber mehrere Wochen auf einem Holzbrett schlafen, denn wie sich dann herausstellte, war die Wirbelsäule durchs Katapultieren kräftig gestaucht worden. Am Ende blieb ich jedoch flugtauglich."
Das sollte dem jungen Oberleutnant aber nichts nützen. Werner Walde, damals SED-Bezirkssekretär, soll sich im Politbüro dermaßen über den Absturz aufgeregt haben, dass die Sache auf dem Tisch des Chefs der Luftstreitkräfte, Generaloberst Wolfgang Reinhold, landete, weiß Behrndt. "Ich musste also zum Kadergespräch bei Generalleutnant Klaus-Jürgen Baarß. Das war aus heutiger Sicht der einzige General, der so richtig menschlich war. Und der sagte: ,Ich hab‘ gehört, Sie löten gern.' Und da mich Elektronik schon immer begeistert hat, wurde ich zum ersten volldigitalen Flugsimulator der NVA nach Laage bei Rostock versetzt. Geflogen bin ich also nie mehr", betont Behrndt. "Uwe Behrndt konnte in Drewitz als Pilot nicht mehr bleiben", deutete der oben erwähnte Frank Pampel heute die politische Dimension seinerzeit an.

Blick auf das Internat III der Ingenieurhochschule Cuttbus mit der Einschlagstelle der MiG-21

Letztendlich noch ein paar Sätze zu den Arbeiten zur Beseitigung der Schäden der Flugunfälle. Bei beiden Abstürzen waren die Offiziellen sehr daran interessiert, sehr schneell ein "Pflaster auf die Wunde kleben". 1975, in der Schmellwitzer Straße 2 sah man schon nach 2 Tagen äußerlich nichts mehr von dem verunglückten Flug. Unter der Hand wurde vom "Wunder von Cottbus geredet". Während in der planwirtschaftlichen DDR Mangel an Baustoffen an der Tagesordnung war, wurde bei den beiden Unglücken eine schier atemberaubendes Arbeitstempo an den Tag gelegt, war Material sofort vorhanden. Bei den Oberen herrschte eine Heiden-Angst, das der Westen von diesen Vorkommnissen Wind bekam. Neben den oben erwähnten Schnellreparaturen ist ein riesiger Schnüffel-Apparat zu gange gewesen, der peinlichst darauf achtete, wie die Stimmungslage unter der Bevölkerung war. Dafür wurden Briefe geöffnet, besonders laute Protestler eingeschüchtert und Westverbindungen telefonisch überwacht. In der Presse erschien jeweils nur ein sehr knapper Artikel in der Lokalpresse, der so formuliert war, das man weder von Militärflugzeugen noch den tatsächlichen Opferzahlen erfuhr.

Noch am Unglückstag begannen die Reparaturarbeiten am teilzerstörten Internatsgebäude. Hier sammeln sich in der Erich-Weinert-Straße die Baufahrzeuge und die Material zuleferungen


Die Cottbuserin Margrit Wappler wünscht sich, dass der Pilot des am 14. Januar 1975 über Schmellwitz abgestürzten Militärflugzeugs geehrt wird.

Davon berichtet Oberbürgermeister Holger Kelch (CDU) am Mittwoch während der Sitzung des Stadtparlaments und sagte dafür seine Unterstützung zu. Demnach schlägt die Cottbuserin vor, dass eine Straße nach Peter Makowicka benannt wird. Denn der 33-jährige Pilot versuchte, das Flugzeug noch über die dichte Bebauung in Schmellwitz hinwegzuziehen. Wäre die MiG früher abgestürzt, hätte es vermutlich Hunderte Tote gegeben. Die Maschine raste über das Textilkombinat, eine Schule, einen Kindergarten, Wohnhäuser. (LR-online, 29.01.2015)

Nachtarbeiten am Zerstörten Internat - es konnte nicht schnell genug gehen bei der Reparatur

Das Flugzeug: Die MiG 21 M ist der erste Typ der dritten Generation der MiG 21, der in der NVA eingeführt wurde.
Das normale Startgewicht betrug 8950 kg. Die Höchstgeschwindigkeit lag bei 2230 km/h (in 11 000 Metern Höhe) oder 1300 km/h (auf Meereshöhe). Die Dienstgipfelhöhe betrug 18 500 Meter, die Landegeschwindigkeit wird mit 270 km/h angegeben. Die normale Flugreichweite betrug 1100 km (maximal 1800 km). Die MiG 21 war mit rund 10 000 Exemplaren (20 Versionen in vier Generationen) das meistgebaute Kampfflugzeug nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie steht oder stand bei etwa 50 Luftwaffen auf vier Kontinenten im Einsatz.

Presse

Quellen:
https://www.mig-21-online.de/home-2/jg-7/chronik-jg-7/absturz-der-590/
https://www.lr-online.de/nachrichten/im-januar-1975-raste-eine-mig-21-in-cottbus-in-ein-wohnhaus-33926372.html / Ausführlicher Bericht von Simone Wendler in der Lausitzer Rundschau über den Absturz 1975
https://www.lsklv-ddr.de/Inhalt.htm / Luftstreitkräfte und Luftverteidigung der DDR
http://home.snafu.de/veith/verluste1.htm / Auflistung aller Flugunfälle des JG1 der NVA
https://de.wikipedia.org/wiki/Absturz_einer_MiG-21_in_Cottbus_1975 / Eintrag in Wikipedia

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